ePA: Interview mit Andreas C. große Bockhorn

"Haben Sie keine Angst vor digitalen Anwendungen"

Andreas C. große Bockhorn
© KVWL

2025 kommt die „ePA für alle“. Einer, der die elektronische Patientenakte (ePA) bereits seit Jahren nutzt, ist Andreas C. große Bockhorn (55). Im Interview erklärt der Facharzt für Allgemeinmedizin aus Altenberge, warum er von der ePA überzeugt ist.

Herr große Bockhorn, Sie nutzen die elektronische Patientenakte bereits seit einigen Jahren in Ihrer Praxis. Wie fällt Ihr Gesamtfazit aus?

Grundsätzlich bietet die elektronische Patientenakte einen sehr hohen Nutzwert. Sowohl für mich als niedergelassener Arzt als auch für meine Patienten. Ich kann beispielsweise mit einem Klick alle elektronischen Akten meiner Patienten einsehen und schnell Befunde hoch- oder herunterladen. Für die Patienten sind die Antragshürden zur ePA derzeit leider noch etwas hoch, der persönliche Authentifizierungsprozess ist komplex. Aber mit der ePA für alle Anfang 2025 wird der Zugang zum Glück deutlich leichter werden. So müssen die Patienten die ePA nicht mehr per PIN-Eingabe freigeben, stattdessen können wir in der Praxis automatisch zugreifen. Voraussetzung dafür ist, dass die elektronische Gesundheitskarte einmal im Quartal eingelesen worden ist. Und die Patienten der Nutzung nicht generell widersprochen haben.

Wie hat die technische Integration in Ihr Praxis-Verwaltungssystem geklappt?

Sehr gut. Wir arbeiten seit Jahren sehr eng und zielorientiert mit meinem lokalansässigen PVS-Hersteller zusammen, der sehr schnell auf Verbesserungsvorschlage reagiert, daher funktioniert die ePA bei uns völlig reibungslos. Daher bin ich auch äußerst zuversichtlich, dass das neue ePA-Modul Anfang 2025 gut laufen wird. Was ich mir aber wirklich wünschen würde? Dass noch viel mehr Kolleginnen und Kollegen ihre Befunde digitalisieren. Wir machen das in unserer Praxis seit 19 Jahren, jedes Schreiben wird hier digitalisiert und sofort in unsere elektronische Patientenkartei eingepflegt. Die komplette Kommunikation – auch mit Kollegen – läuft über den KIM-Dienst. So würde ich mir das von allen wünschen, damit niemand mehr einem Bericht hinterhertelefonieren muss. Hier erhoffe ich mir von der ePA für alle einen echten Schub!

Bemängelt wird bislang eine noch fehlende Volltextsuche innerhalb der ePA. Wie gehen Sie damit um? Wie finden Sie sich in der ePA als Arzt zurecht? 

Wenn ich in die aktuelle ePA eines Patienten schaue, sind die Dokumente zwar nach Datum sortiert, allerdings sind die Berichte nicht immer effektiv beschriftet. Das trifft häufiger zu, wenn der Patient eigenständig Daten einstellt. Dann erschließt es sich nicht immer sofort, um welche Befunde und Berichte es sich handelt. Hier wäre es wünschenswert, wenn man im Nachgang die Dokumente editieren könnte. Und es wäre toll, wenn man sofort den Absender der Datei einsehen könnte. Dies soll aber mit der ePA für alle im kommenden Jahr verbessert werden.

Wie hat die ePA Ihren Praxisalltag verändert? Welche Vorteile bietet die „ePA für alle“ aus Ihrer Sicht für die Vertragsärzteschaft?

Die Umstrukturierung im Praxisalltag war gar nicht groß. Wenn es technisch einmal sauber läuft, ist die Umstellung relativ einfach. In der Regel befülle ich die ePA selbst, ich kann es aber auch an meine Medizinischen Fachangestellten bzw. Arzt-Kollegen delegieren. Ich weise den Patienten explizit darauf hin, wenn ich beispielsweise einen Befund hochlade. Den muss ich dann auch nicht mehr ausdrucken, spare somit wertvolle Zeit. Sobald die ePA flächendeckend genutzt wird, gibt es zudem einen sehr schnellen Informationsgewinn für alle. Die Befunde sind an einem Ort sicher abgelegt, aber bei Bedarf verfügbar. Es kann nichts mehr verloren gehen. Auch bei einem Arztwechsel gibt es keine Informationsverluste mehr, ich kann sofort mit der Behandlung starten. Davon profitiert auch der Patient.

Welche Vorteile gibt es konkret für die Patienten?

Ich sage immer: Die ePA ist ein wachsender digitaler Schnellhefter der Patienten. Es müssen keine Papierakten mehr mitgeschleppt werden, alles ist digital abrufbar. Im besten Fall entsteht in der ePA auf Dauer ein vollständiges Bild von der Gesundheitshistorie sowie des aktuellen Zustands des Patienten.

„Ich sage den Patienten immer: Das ist der digitale Schnellhefter, wo sie ihre Befunde immer einsehen und damit auch zu anderen Kollegen gehen können.“

Durch die ePA wird die ärztliche Behandlung noch transparenter. So können Patienten beispielsweise genau einsehen, welche Behandlungen sie erhalten haben – und wie sie abgerechnet werden. Hat das in Ihrer Praxis für Diskussionen gesorgt?  

Bis jetzt nicht. In Zukunft sollen die Patienten ja auch die Leistungsabrechnung einsehen können. Für mich ist das kein Problem. Ich habe es schon häufig erlebt, dass sich Patienten erschrecken, wenn sie erfahren, wie wenig wir für manche Regelleistung abrechnen dürfen. Da ist das Erstaunen dann ziemlich groß. Daher könnte ich mir vorstellen, dass durch die stärkere Transparenz das Arzt-Patienten-Verhältnis sogar noch stärker wird. Und der Patient entscheidet letztlich ja selbst, wer etwas lesen darf.  

Bei der ePA handelt es sich ja um eine patientengeführte Akte. Was sollten die Patienten bei der Pflege ihrer Akte berücksichtigen?

Für mich als Facharzt für Allgemeinmedizin ist es wichtig, dass ich möglichst viele Informationen bekomme. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich hätte gerne alle Inhalte aus der ePA verfügbar, um mir ein möglichst komplettes Bild machen zu können. Bei Fachärzten mit Spezialgebieten kann das natürlich anders sein. So müssen sie nicht unbedingt mit allen Befunden belastet werden. Hier kann der Patient aber auch entsprechende Rechte vergeben.

Anfang 2025 kommt die „ePA für alle“. Der Beratungsbedarf dürfte zum Start enorm sein. Dutzende Krankenkassen, viele verschiedene Apps – wie werden Sie damit in der Praxis umgehen?

Grundsätzlich liegt die Aufklärungsarbeit hier bei den Krankenkassen. Meine Frau hat beispielsweise kürzlich den ersten Brief ihrer Kasse zur ePA bekommen. Das finde ich gut. Allerdings müssen die Schreiben am Ende auch so formuliert sein, dass man den Patienten die Angst vor der ePA nimmt. Hier würde ich mir eine noch stärkere Kommunikation und Aufklärung durch die Krankenkassen wünschen, das würde uns in der Praxis entlasten. Und ich würde mir wie beim elektronischen Rezept eine einheitliche App für die ePA wünschen. Das würde sicher einiges erleichtern, wenn alle Patienten dieselbe App nutzen würden.

Welche Tipps würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen bei der Einführung der ePA in den Praxisalltag geben?

Fangen Sie jetzt an! Haben Sie keine Angst vor digitalen Anwendungen, wenden Sie sich frühzeitig an Ihren PVS-Hersteller. Es lohnt sich wirklich. Wenn wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir durch die ePA wertvolle Zeit gewinnen. Und die Patienten profitieren von gut abgestimmten Behandlungen und Therapien – und haben trotzdem die Hoheit über ihre Daten. Insgesamt ist es eine Win-Win-Situation.